Olaus Magnus und seine Karte des Nordens

OLAUS MAGNUS UND SEINE KARTE DES NORDENS.

Freiherr von Nordenskiöld hat in den letzten Jahren eine Reihe älterer Karten des Nordens weiteren Kreisen zugänglich gemacht. Unter anderen ist auch die Karte aus der Basler Uebersetzung der Historia de gentium septentrionalium variis conditionibus des Olaus Magnus vom J. 1567 von ihm in Originalgrösse (im ersten Bande der „Umseglung Asiens“) und verkleinert (in den „Studien“, deutsch 1885) neu gedruckt. Die Basler Ausgabe von 1567 enthält die Karte ursprünglich wohl nicht,[1] Nordenskiölds Angabe „aus Olai Magni Historia ...“ ist also ursprünglich ungenau. Die Basler Ausgabe enthält dagegen sicher von Anfang an neben der Historia allerdings auch in allen Exemplaren eine lateinische Uebersetzung der Opera breve des Olaus vom Jahre 1539. Diese Opera bildete einen Commentar zu einer im gleichen Jahre erschienen Karte, die nach Nordenskiöld im Norden nicht mehr aufzufinden ist, aber nach seiner Meinung „unverändert“ in dem Basler Druck vorliegt. Die deutsche Uebersetzung der „Opera“ in der deutschen Uebersetzung der Historia enthält die Karte und gleichfalls eine Bearbeitung („auss Wälscher sprach ins Teütsch verlegt durch Joh. Bapt. Ficklern“); diese führt den Titel „Kurtzer begryff einer instruction oder vnderweisung welcher massen die Tafel ... zuuerstehen sey.“ Sie passt nicht ganz zu der sie begleitenden Karte; „der Zwerg so am theil Gruntlands steht“ findet sich z. B. auf dieser nicht. Auch ist sie nicht eine ganz genaue unverkürzte Wiedergabe des Originales; denn hier sind z. B. unter jeden der neun grossen Buchstaben eine Reihe kleinerer untergeordnet; wenigstens ist diess in Olaus’s deutscher Ausgabe der Opera der Fall. Diese deutsche Ausgabe datiert vom Juli 1539, hat den Titel „Ain kurze Auslegung vnd Verklerung der ..... Mappen.“ Sie ist kurz nach der italienischen („neulich durch mich in Italia .. an den tag her fürgebrachten“) erschienen und von Olaus der gastfreien Stadt Danzig gewidmet. Sie enthält wie die italienische keine Karte und konnte die von ihr kommentierte Karte nie enthalten, denn diese bestand aus 9 grossen Blättern in viel grösserem Format, die zur Zusammensetzung bestimmt waren.[2] Die Karte von 1567 ist wahrscheinlich gar nicht von Olaus; sie trägt unten rechts in der Ecke ein Monogramm F. W. (oder F. H. W?), 1567, vielleicht = Fickler Wylensis (Fickler von Weyl) und scheint also 1567 neu gezeichnet worden zu sein, somit nach Olai Tod. Die in der gleichen Officin wie die Uebersetzung der Historia (bei Henricpetri) im März 1567 gedruckte Ausgabe hatte ursprünglich, wie erwähnt, gar keine Karte sondern nur den Commentar dazu;[3] Olaus selbst hat seiner ersten Ausgabe 1555 eine ganz andere kleinere, ungenaue Karte mitgegeben, und die Karte von 1539 ist erst recht verschieden von der bei Fickler gegebenen.

Die hiesige Staatsbibliothek hat unter der Signatur Mapp. VI, 1 ein Exemplar der Originalkarte des Olaus. Dasselbe misst an den Randleisten 170 cm. in die Breite, 125 in die Höhe. Die Karte ist in neun Blättern gedruckt. Auf dem oberen Rande steht der Titel Carta marina et descriptio septemtrionalivm terrarvm. ac. mirabilivm. rervm. in. eis. contentarvm. diligentissime elaborata anno dñi 1539 Veneciis liberalitate Rmi d. ieronimi Qvirini Patriarche Venetiāi. Rechts unten steht an zwei Stellen Olavs Magnvs Gotus Lincopeñ. Die Karte reicht am Nordrand vom 9–55 Längengrad, im Süden vom 10–64; im Westen vom 52–90 Breitegrad, im Osten von 55–90; im Südosten und Nordwesten sind die Ecken abgeschrägt wie oben an der Karte von 1567, aber das abgeschnittene Stück im Nordwesten ist von der Fortsetzung der oberen und linken Randleiste eingefasst und enthält die Fortsetzung der Karte, nämlich „Gruntlandie pars“ in einer Gestalt wie etwa L. Fris und Th. Thorlacius Grönland zeichnen. Darauf das Bild. von dem kämpfenden Pygmaeen („Zwerg“), daneben der Berg. Hvitsark. Im Östen reicht die Karte nicht so weit als die von 1567; die östlichsten Namen sind Starigur, Kexholm, Nogardia. Text und Abbildungen sind viel reicher als in der Bearbeitung von 1567. Die verschiedenen seefahrenden Völker sind mit Schiffen auf den Meeren vertreten, so die Schweden, „Gothi“, Norweger, Dänen, Engländer, Schotten, Hamburg, Lübeck, Bremen, Danzig. Die Bilder sind zum Teil dieselben wie in der Historia. Neben den grossen Buchstaben zur Bezeichnung der Hauptgebiete sind die kleinen eingezeichnet auf welche die „Opera“. hinweist. Was die einzelnen Länder betrifft, so will ich nur Folgendes hervorheben. Im östlichen Gruntland ist kein Name eingezeichnet. Auf Island fehlen La(n)gnes, Cakerfier, Westmone ins., Hekelford prom., Snaueliokel, statt Hanafıor, Bergeñ, Holen heist est Hanafiord, Berghē, Holensis, statt Rock Rók, dagegen fehlen 1567 Criptoporticus, Monscrucis, Helgafiel, Skalholdin, Vestrabord, Ostrabord, Isafjord, Foglasker, C(h)aos,[4] ferner Vespeno (im Süden der Insel, der Druck ist undeutlich, eine hs. Copie aus dem 16 Jhd. zeigt Vespero s. u.). Scandinavien ist nicht so lang und spitz gezeichnet als bei Fickler, sondern mehr abgerundet, so dass die Grenze von Vardahus fast östlich bis zur Insula magnetum geht und die Namen Finnmarcia, Scricfinnia, Biarmia in einer Linie von West nach Ost liegen.

Diese Abweichungen der alten Karte des Olaus von der jüngeren bei Fickler sind für die Geschichte der nordischen Kartographie, speciell für die der Darstellung Grönlands, von Bedeutung. Der Schluss, den Prof. Jap. Steenstrup aus dem Namen Alba zieht (Aarboger 1883, S. 188) gilt nun nicht mehr im ganzen Umfang; das westliche Gruntland ist sicher Grönland (im Elenchus regnorum der Historia heisst es Gronlandia); das Bild, das sich Olaus von der Begrenzung des Eismeeres machte, glich also etwa dem des Claudius Clavus (Olavius??) oder dem in Pirckheimers Ptolemaeus von 1525 (tab. 49) und erinnert an die Zenikarte. Das Wort Alba in Ficklers Gruntlandia mag aus den Quellen geflossen sein, die Steenstrup als abgeleitet aus Olaus betrachtete. Die Erweiterung der jüngeren Karte im Osten erinnert an Zieglers Zeichnung und Nomenclatur.

Ein Zufall will, dass die einzige Spur einer ausgiebigen Benützung der Originalkarte des Olaus von 1539 sich gleichfalls hier befindet. Die Universitätsbibliothek besitzt einen handschriftlichen Atlas aus dem 16 Jhd.; auf weissem Pergament sind hier die Karten ungemein zierlich und sorgsam in Farben ausgeführt und mit schönen Miniaturbildern geschmückt. Auf der Karte von Nordeuropa wird Olaus Gotus als Autorität für die Lage von Thile genannt. Bei näherer Untersuchung zeigt sich, dass die ganze Karte frei nach Olaus’ Carta marina bearbeitet ist. Zumal Island gibt Zeugniss hiefür; auch Gruntlandia erscheint zweimal, wie dort. Wir haben gesehen, wie die italienische Copie in einem Fall eine Lücke des hier befindlichen Exemplares des Originales mit dem Namen Vespe(r)o ausfüllt.

Weitere Bemerkungen behalte ich der vorbereiteten neuen Ausgabe der Karte vor. Vor allem wird das Verhältniss der Zenikarte zu jener zu betrachten und der Zeniforschung damit eine festere Grundlage zu geben sein.


München 7 Mai 1886.

O. Brenner.



Denne teksten er offentlig eiendom fordi forfatteren døde for over 70 år siden.
  1. wenigstens das mir zugängliche Exemplar nicht; auch Eggers kennt die Karte nur aus der Uebersetzung (Beschreibung von Island 1786 S. 187), hält sie übrigens auch für identisch mit der von 1539.
  2. Aediderat chartam ... privatimque libello ... explicauit sagt A. Henricpetri in der Praefatio 1567, f. 2.
  3. Der Text des lat. Commentares ist aus der „Opera“ oder der „Auslegung“ übersetzt, nicht aus der deutschen Bearbeitung Ficklers, ist aber auch keine getreue Uebersetzung, sondern lässt vor Allem Angaben, die nur für die grosse Karte passen, weg. Möglicherweise ist der mit separater Paginierung vorn eingesetzte Commentar erst bearbeitet worden, als die Karte zu der Uebersetzung schon in der Officin war, Die Vorrede der letzteren ist im Januar geschrieben; der Druck der lat. Ausgabe im März vollendet, also die Einleitung wohl noch später. Einzelnen Exemplaren der Ausgabe ist die Karte allerdings vom Verleger beigegeben worden.
  4. ein promontorium choas hat Pedrezano 1548 an derselben Stelle, wo Olaus an der Küste chaos schreibt.